
FLENSBURG | Gunnar Dommasch | Flensburger Tageblatt vom 14.08.2025
Nele Rieper machte ihren Bachelor in Bildungswissenschaften. Nach dem Studium wusste sie: Das ist nicht das richtige. Nun wagt sie den Neustart.
„Einfach mal was Neues wagen!“ Dieses Leitmotiv ist wegweisend für Nele Rieper, die alte Lernstrukturen hinter sich gelassen hat. Ihr Studium hat die 25-Jährige geschmissen und stattdessen eine Ausbildung begonnen. Nach ihrem Bachelor in Bildungswissenschaften hatte sich immer weiter die Erkenntnis verdichtet: „Ich will das nicht mehr! Ich will nicht mein ganzes Leben in der Schule verbringen.“
Vielleicht habe sie es zuvor verdrängt, meint Nele, „und immer weitergemacht, da ich es nun mal angefangen hatte“. Dann aber nahm sie all ihren Mut zusammen, verabschiedete sich von der Europa-Uni in Flensburg und heuerte in der Woche vor Ostern bei Queisser Pharma in der Schleswiger Straße an. Dort wurde ihre Bewerbung kurzfristig angenommen - und nun lernt sie Industriekauffrau.
Studienabbrecher eher selten
Bereits nach dem Abi am Alten Gymnasium hatte sie die Ausbildung gereizt, die sie nun tatsächlich begonnen hat. „Ich habe mich damals schon für kaufmännische und wirtschaftliche Fragen interessiert.“ Dennoch schrieb sie sich an der Uni ein für die Lehrfächer Englisch und Geografie. „Nach zwei Jahren kamen echte Zweifel auf, ob es wirklich das Richtige für mich ist.“ Auch die positive Erfahrung eines praxisnahen Auslandssemesters in Odense konnte letztlich nichts mehr an ihrem Entschluss ändern.
Fündig wurde die Flensburgerin, indem sie alle passenden Internetportale durchforstete – bis sie auf das Pharmaunternehmen stieß. Tatsächlich gibt es dort eine kontinuierlich wachsende Zahl an Auszubildenen. „Auch dadurch, dass es inzwischen acht verschiedene Ausbildungszweige gibt“, sagt Louisa Vogt. Die 22-Jährige betreut mitverantwortlich auch die elf Neuzugänge; sie selbst hat im Unternehmen Industriekauffrau gelernt und dazu BWL studiert. „Wir haben hier viele Abiturienten, aber Studienabbrecher sind eher selten“, so ihre Erfahrung.
Internationale Ausrichtung als Kriterium
Die IT-Zukunft bei Queisser ist tendenziell weiblich. In dieser männerdominierten Branche starten in diesem Jahr eine Fachinformatikerin (Ausbildung) und eine Wirtschaftsinformatikerin (Bachelor of Science). Unternehmenssprecherin Anika Morf verweist darauf, dass 70 Prozent aller Azubis übernommen und mitunter sogar zu Führungskräften werden. „So sind etwa unsere Leiterin der Finanzbuchhaltung, unser Marketing Director und unsere Leitung des Vertriebsinnendienstes alles ehemalige Auszubildende und duale Studierende.“
Für Nele Rieper ist mitentscheidend gewesen, dass ihr neuer Ausbildungsbetrieb international aufgestellt ist. „Ich liebe die englische Sprache“, sagt sie. Und obwohl ihre Kenntnisse schon weit gediehen sind, nimmt sie einmal wöchentlich am betrieblichen Unterricht teil. Ein dreiwöchiger Auslandsaufenthalt ist in der Weiterbildung zur Europakauffrau vorgesehen.
Der finanzielle Aspekt habe für sie nicht die große Rolle gespielt, versichert die verhinderte Lehrerin, die in diesem Beruf gut hätte verdienen können. Nun erhält sie 1176 Euro im ersten Lehrjahr. Und wenn man, wie Nele Rieper, sich Miete und Lebensmittel mit einem Partner teilen kann und die Eltern unterstützend zur Seite stehen, dann reicht das zum Leben. „Und nach zweieinhalb Jahren“, sagt sie lachend, „werde ich hoffentlich übernommen.“