Wenn aus Geflüchteten Fachkräfte werden

Das Pharma-Unternehmen Queisser geht verschiedenste Wege, um Nachwuchskräfte zu gewinnen

FLENSBURG | Till H. Lorenz | Flensburger Tageblatt vom 15.08.2019, Seite 8

Es war das Jahr, als Hunderttausende Menschen auf der Flucht waren – und schließlich nach Deutschland gelangten. Es war auch jene Zeit, in der bei Queisser eine Veränderung begann. „Wir haben Ende 2015, 2016 angefangen uns zu überlegen, dass wir da etwas machen wollen“, sagt Zinai Asgodom. Bei dem Flensburger Pharma-Unternehmen Queisser, das mit Marken wie Doppelherz weltweit bekannt geworden ist, verantwortet er die Ausbildung der Lageristen sowie der Fachkräfte für Logistik.

Integration durch Bildung und Ausbildung hatte sich der Mittelständler auf die Fahnen geschrieben, nicht zuletzt um seinen eigenen Fachkräftebedarf zu decken. Mit Erfolg. „Wir setzen voraus, dass ein gewisser Grad der deutschen Sprache beherrscht wird“, erklärt Asgodom. Doch das Unternehmen selbst hat auch nachgeholfen. „Wir haben auch noch einmal die Woche Deutsch-Unterricht gegeben.“ Eigens dafür hatte das Unternehmen einen pensionierten Realschullehrer beauftragt, auch der Draht zum Jobcenter war kurz.

Hagos Weldemariam und Haben Berhe konnten so die Ausbildung zum Fachlageristen absolvieren. Beide kommen aus Eritrea – genau wie Asgodom. Die gemeinsame Muttersprache hielt man bei Queisser zunächst für einen Vorteil, wenn es darum ginge, bestimmte Fachbegriffe zu lernen. Im Rückblick sieht Asgodom das anders. „Wir als Unternehmen lernen dazu.“ Ohne die gemeinsame Sprache hätten die beiden nämlich manchen Begriff womöglich noch schneller gelernt, sagt er heute.

Ahmed Mohamed wird genau das müssen. Er stammt aus Somalia. Zum 1. August hat er seine Ausbildung begonnen. Über die Berufsmesse Nordjob kam er zu Queisser. So wie auch andere Auszubildende des Unternehmens, weitere wurden durch Empfehlung von Lehrern und Bekannten aufmerksam, durch den Ruf des Unternehmens, Praktika. Dabei greift das Unternehmen auch auf das Mittel der Einstiegsqualifizierung zurück. Der Vorteil: Die Firma kann so auch jungen Menschen eine Chance geben, die aufgrund der schulischen Leistungen vielleicht sonst auf den ersten Blick nicht überzeugt hätten. Bei der Einstiegsqualifierzung werden sie fit für die Ausbildung im Betrieb gemacht – und, wenn alles klappt, in diesen übernommen.

Ganz gleich in welchem Bereich die Auszubildenden bei Queisser unterkommen. 20 Mal im Jahr gibt es innerbetrieblichen Unterricht, einmal in der Woche Englisch-Unterricht. „Da wäre eigentlich die Schule zuständig“, sagt Asgodom. Doch der Betrieb springt ein. Die Ausbildung zum Lageristen dauert zwei Jahre, die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik drei Jahre. Das Berufsbild ist im Wandel, wie auch Lars Erik Meyer, Ausbilder in der Logistik bei Queisser, verdeutlicht. So krempelt die Digitalisierung den Bereich um. In den kommenden Wochen wird das Unternehmen sein neues Lager am Rande der B200 in Betrieb nehmen. Viele Prozesse, für die bis dahin noch eine Zettelwirtschaft notwendig war, werden von da an papierlos ablaufen. Dann hält das Tablet auf dem Gabelstapler Einzug.

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